14. September 2016

d` Wiesn – Erzählungen meiner Oma

Dank der Globalisierung und der weltweiten Vernetzung durchs Internet, weiß heutzutage beinahe die gesamte Weltbevölkerung was das Oktoberfest in München ist, so scheint es zumindest. Es werden seit vielen Jahren schon Tische in von der Theresienwiese ausgelagerten Veranstaltungsorten verkauft und die Leute, die dieses Angebot buchen, wissen oft gar nicht, dass sie gar nicht auf der Wiesn gelandet sind, sondern am anderen Ende der Stadt.

Meine Oma hätte sich das alles nimmer vorstellen können. Sie erzählte mir als Kind immer die Geschichte von der „gottseidank wieder“ ersten Wiesn nach dem Krieg. Aufgewachsen in Sendling konnten wir zu Fuß zur Wiesn runter gehen und hatten alle miteinander einen starken Bezug zu unserem Münchner Fest.

Früher waren nämlich keine Auswärtigen auf der Wiesn, es war ein Fest für uns Münchner, genau das also, als was es im Jahre 1810 auch ins Leben gerufen wurde. Die Wiesn ist in der Vergangenheit öfter schon ausgefallen, sei es wegen wirtschaftlicher Krisen oder der Cholera. Die längste wiesnlose Zeit war allerdings die während des 2. Weltkrieges. Für meine Oma als junge Frau und Mutter die schlimmste Zeit ihres Lebens, der Krieg.  Und wenn ich da so manche junge Mütter heutzutage beobachte oder irgendwelche Stories lese, dann entfleucht mir nur ein müdes Lächeln.

Meine Oma regte sich darüber auf, dass damals 1946 ein amerikanischer Stadtkommandant die Wiesn eröffnet hat. „Den braucht bei uns koa Mensch, des kemma ois seyba! Der soi hoamgeh nach Amerika und uns unsa Ruah lassn. Aba des duad a ned, werst seng, de Amis breiten se überoi in da Welt aus, wiad Fliang“ (Wie unvorstellbar zutreffend ihre Vorhersage war, konnte sie 1968 während der sogenannten Mondlandung noch zu Lebzeiten im Fernsehen sehen. Sie war sehr zufrieden mich sich)

In diesem Jahr vor 70 Jahren hieß das Oktoberfest auch nur „Kleines Herbstfest“. Von den Vorzügen der echten Wiesn mit viel Bier und Essen konnte man 1946 nur träumen. Ein bisserl fröhlich sein wollten die Leute. Hinter sich lassen, was ihnen der Krieg (den die normale Bevölkerung übrigens gar nicht wollte) für Leid und für Entbehrung gebracht hat.

So gab es 1946 beim „Kleinen Herbstfest“ nur Dünnbier. Meine Mama kann sich noch gut erinnern, sagt sie, wie meine Oma und deren Schwester mit ihr in einem der beiden Bierzelte gesessen sind. Wer dieses Dünnbier und a bisserl was zum Essen wollte, musste seine Lebensmittelmarken dafür einsetzen. Für eine 50 Gramm Fleischmarke erhielt man eine Bratwurst. Wenn man bedenkt, dass die Trümmerfrauen es waren, die München damals wieder mit ihren bloßen Händen aufgebaut haben, dann hätte das Essen ruhig großzügiger bemessen werden können.

Meiner Oma ist zeitlebens sowieso so einiges „im Magen gelegen“ nicht das Essen, sondern die „Zustände“, über die sie sich sehr oft und ausgiebig äußerte.

„Wie gibt´s des, dass de imma mit dera Wiesn rumdean (sie meinte damit; die Wiesn instrumentalisieren) – zearst derfa koane Juden auf´d Wiesn und dann wern auch noch unsere Stadtfarben verboten und statt dessen hängas so depperte Hakenkreuz-Fahnen auf“ (das war um das Jahr 1936 herum). Meiner Oma ist auch aufgefallen, dass es irgendwie die gleiche Vorgehensweise von den Amerikanern ist, wie die der katholischen Kirche: „Jezt homs a no die Schießstände verboten, die Amis. De verbieten s´schiaßen und hom mit eanam deppertn Kriag seyba ois nieder g´schoßn und nieda bombt… so macht´s katholische Kirch a… Wasser predigen und Wein dringa“

Mit unserem heutigen Blick zurück in die Vergangenheit lässt sich hier unschwer ein Muster erkennen. Die Wiesn wurde und wird bei jeder besten Gelegenheit instrumentalisiert. Wen wundert es da noch, dass ausgerechnet 2 Monate vor der Wiesn ein doch sehr fragwürdiger Terrorakt mitten in München stattgefunden hat? Auf alle Fälle lässt sich die Wiesn dadurch wieder einmal wunderbar instrumentalisieren.

Dass die Wiesn ab 1946 erst „entnazifiziert“ werden musste, um dann ab 1949 ihren normalen Betrieb wieder aufzunehmen, wissen heute vielleicht nur noch die wenigsten. Heutzutage haben wir eine etwas abgewandelt Form der Propaganda als damals, aber alles hat eben seine Zeit. Und ob wir eine „entterrorisierung“ der Wiesn auch noch erleben werden, wer weiß das schon…

Ein nettes G´schichterl noch von meiner Oma und meiner Mama als kleines Mädl, die zusammen in der Trambahn saßen. Meine Mama, damals 6 Jahre als, war so begeistert von der Wiesn, dass sie ganz laut zu meiner Oma sagte: „Aiso i heirat nua oan, der mit mir siebenmoi auf d´Wiesn geht.“

Die Liebe zur Wiesn wurde an mich weitergegeben. Bereits als 17-jährige arbeitete ich für einige Jahre als Bedienung „unten“ (auf der Wiesn) und auch der Herzerlstand an dem ich auf der Oide Wiesn regelmäßig gearbeitet hab, hat es mir angetan.

Nur heuer gibt´s koa Oide Wiesn und für mich keinen Herzerlstand und auch sonst ist ein bisserl was anders als sonst , drum bleib ich heuer daheim…

 

 

Brigitte Berchtold

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